Ist Fotografie Kunst?
 

Das wahre Analphabetentum
ist das Unvermögen,
schöpferisch tätig zu sein.

(Friedrich Hundertwasser)

Es ist eine Glaubensfrage. Für mich ist Fotografie ein Ausdrucksmittel. Wenn Kunst auch eines ist, dann ist Fotografie Kunst.

Mein Verständnis von Kunst ist unmodern: Ein Maler muss malen, ein Fotokünstler fotografieren können.
Es reicht nicht, Schwarzweißfilm zu benutzen und unter den aufgezogenen Abzug „Barythpapier 40 cm x 55 cm” zu schreiben. Aber es läuft eine ganze Armada von soge-/selbster-nannten Künstlern herum, die das Handwerk nicht beherrschen. Diese verachte ich.

Adams, Sander, Avedon und einige andere akzeptiere ich als Künstler. Lagerfeld und manch andere nicht.

Eines ist Fotokunst in jedem Fall: Sehr persönlich.
Hier einige Aufnahmen aus meiner „blauen Periode”:



Michael von Aichberger - Fotokunst - "Last-Minute"

„Last-Minute”
(2002)

Letzte Weihnachtseinkäufe
am 24. Dezember 2002 in Stuttgart.



Michael von Aichberger - Fotokunst - "Nachtprogramm"

„Nachtprogramm I”
(1993)

Nach dem Fernsehabend wird der Fernsehapparat gewöhnlich ausgeschaltet. Für dieses Foto blieb er an und diente zusammen mit dem fahlen Licht der Straßenlaternen als einzige Lichtquelle.
Belichtungszeit: ca. 8 Stunden.

 

Michael von Aichberger - Fotokunst - Schlaf

„Nachtprogramm II”
(1993)

Das Bild zeigt zwei Menschen im Bett
(mich und noch jemand ;-)
während der gesamten Nacht.
Belichtungszeit: ca. 8 Stunden.
Die Stehlampe war allerdings nur für 4 Sekunden an.

Michael von Aichberger - Fotokunst  - "Gulaschsuppe"

„Gulaschsuppe”
(2000)

Das Kunstwerk entstand im Anschluss
an ein Happening in der Küche.
Topf und Löffel sind miteinander verschmolzen.
Die Anordnung ist noch vorhanden und kann von Kunstverständigen erstanden werden.
Gebote ab 1000 €.
Michael von Aichberger - Fotokunst - Parkhaus

„Parkhaus”
(1994)

Parkhaus in Köln-Porz.
Ohne Autos und ohne weitere Worte.

Michael von Aichberger - Fotokunst - "Und es ward Licht"

„Und es ward Licht”
(Friedenskirche Ludwigsburg, 1983)

Ein Kirchenschiff, eine rote Taschenlampe,
Blitz, Trockeneis und 15 Minuten Zeit.


Und hier ist noch ein sozialkritisches Oeuvre:

Michael von Aichberger - Fotokunst - "Vz 239"

„Vz 239 ”
(2002)

Ein Triptychon!
Ich muss gestehen, als ich das Kunstwerk schuf, hatte ich keine Sozialkritik im Kopf, vielmehr meinen Hund an der Leine. Aber das wissen die Kunstkritiker ja nicht!


à propos Hund, le voilà:

Michael von Aichberger - Fotokunst - "Le chien  Breton"

„Le Chien Breton”
(1994)

Gönzel im Urlaub in der Bretagne.

Michael von Aichberger - Fotokunst - "Brückengrün - Rheinbraun"

„Brückengrün - Rheinbraun”
(2002)

ad 1:
4 der 7 Kölner Brücken (hier die Zoobrücke)
sind mit einer ganz bestimmten Farbe gestrichen,
diese wird als „Kölner Brückengrün” bezeichnet.

ad 2:
„Rheinbraun” heißt die Firma, die im
Westen von Köln nach Braunkohle buddelt.
Bei Hochwasser ist auch der Rhein braun.

...

 
Michael von Aichberger - Fotokunst - "Hallo!"
 


„Hallo!”
(2003)

Ein Pentachon vom hohen Dom zu Köln.

(Klick auf das Werk zeigt Großansicht in 3000 x 600 Pixeln!)


Die Fotogalerie wird noch erweitert,
sobald ich wieder „inspiriert” bin.

Einstweilen und im Folgenden haben Rezensenten der internationalen Kunstszene das Wort.



Wir beginnen mit Bernard Dumont aus Marseille/Frankreich:

Certains artistes prennent un thème et le déclinent. C'est le cas général. On fait, on sait faire, et on fait. Certains autres vont plus à l'aventure. Comme si chaque production était aussi une tentative d'oubli de la précédente. Comme s'il fallait toujours voir ailleurs.

Les premiers sont en vedettes, et non sans raison.
Le «refaire» marque davantage que le faire, parce que nous sommes hommes et femmes de mémoire. Suivre les «autoportraits» de Rembrandt, ou les différentes «Sainte-Victoire» de Cézanne, ou les infinies danseuses de Degas, les Tahitiennes de Gauguin, les collages de Matisse. Vivre et mourir, dans cette idée de la trace, de ce qui reste, de ce qui se suit à soi, de ce qui se suit et se suit encore.

D'autres artistes vont ailleurs. Ils se risquent eux-mêmes, dans des nouveautés d'eux à eux, et d'eux au public éventuel. Le plus souvent, ce n'est pas très intéressant, parce que ce n'est pas lisible. Notre temps aime à savoir la période bleue de Picasso, puis sa période rose, puis le cubisme. Mais que soient montrés (peint, écrit, photographié, philosophé) des objets d'une chronologie dérangeante, au sens de l'humain dérangement, voilà pourtant ce qui pourrrait faire adéquation: se voir dans sa différence.

A ce titre, le travail de Michael von Aichberger est ambigu, et d'une manière forte. Il tient un média (la photographie), mais il détient (au sens de rejeter) le sujet de son support. Intimiste, rarement, anecdotique, parfois, illustratif, il se peut, nouvelles technologies, on le verra, nature-mortien, il ne le rejette pas ... Cette polyvalence va choquer les collectionneurs, qui ne sauront où donner de la tête, et des euros. Elle va choquer, j'imagine, tous ceux qui le connaissent, et qui vont investir sur une image, et une seule, en rejetant les autres. Mais elle - cette polyvalence - ne peut qu'être admirable pour l'ami, qui voit dans ces renouvellements une attitude de liberté affirmée.

Entre le flou de «Last Minute», qui n'a de flou que l'égarement de l'oeil de qui le voit; entre les semi-objectivités de «Nachtprogramm I» et «Nachtprogramm II», qui montrent ce qu'elles doivent montrer (un documentaire sans document); entre la «Gulaschsuppeğ, vue de haut (cette assiette improbable dont on rêve dans un mélange entre l'Occident et l'Asie); entre les fluo-parkings et autres perspectives du souvenir et du reflet du monde; entre tous ces éléments, donc, se joue ce risque de diversité, ce risque à être, et ce risque à n'être pas. Dire une diversité, c'est risquer l'oubli. Risquer l'oubli, c'est un peu plus qu'être, parfois.

Soweit Bernard Dumont aus Frankreich.
Für alle jene, die die Sprache Cézannes, Gauguins
und Matisses nicht beherrschen, nachstehend
der Versuch einer Übersetzung durch meine Wenigkeit
in die Sprache Rembrandts:

Manche Künstler nehmen sich ein Thema vor und deklinieren es wie eine Vokabel. Das ist der Normalfall. Man macht. Man weiß, wie es geht, also macht man. Für andere ist die Kunst ein Abenteuer: Jedes neue Werk ein Versuch, das letzte zu vergessen. Als müsse man ewig Neues schaffen.

Die Erstgenannten stehen im Rampenlicht und das nicht ohne Grund: Die „Masche” fällt mehr auf als das Einzelstück, weil wir alle Erinnerungsmenschen sind. Aufmerksam verfolgen wir die Reihe von Rembrandts „Selbstportraits”, oder Cézannes diverse „Sainte-Victoires" oder die unzähligen Tänzerinnen von Degas, die Tahitierinnen von Gauguin, die Collagen von Matisse. Auf Gedeih und Verderb folgen wir der Spur dessen, was Bestand hat, dessen, was auf sich selbst folgt, wieder und wieder.

Andere Künstler schweifen umher. Sie setzen ihre Identität aufs Spiel, indem sie sich immer wieder neu definieren, vor sich selbst und vor ihrem eventuellen Publikum. Meistens ist das nicht sehr interessant, weil es nicht deutlich wird. In der heutigen Zeit möchte man Picassos Arbeit einordnen können in eine blaue Periode, eine rosa Periode und schließlich den Kubismus. Dass aber Objekte in ungeordneter Abfolge gezeigt (gemalt, geschrieben, fotografiert, philosophiert) werden könnten, ungeordnet im Sinne menschlicher Unordnung, das kann dennoch Sinn machen: Sich selbst in der eigenen Unterschiedlichkeit begreifen.

In diesem Sinne ist die Arbeit von Michael von Aichberger vieldeutig und in gewisser Weise überzeugend. Er hält sich an ein Medium (die Fotografie), aber er versagt dem Motiv seine Unterstützung. Intim, selten, anekdotisch, manchmal, illustrativ, kommt vor, neue Technologien, man wird sehen, stilllifig, auch nicht abgeneigt ... Diese Vielseitigkeit wird Kunstsammler vor den Kopf stoßen, die nicht wissen werden, worauf sie sich einlassen, mental und finanziell. Ich kann mir vorstellen, dass sie auch die vor den Kopf stossen wird, die ihn kennen, die in ein Bild investieren, in ein einziges, und alle anderen ablehnen. Ein Freund kann diese Vielseitigkeit nur bewundern, für ihn sind diese Häutungen eine Manifestation von kreativer Freiheit.

Zwischen der Unschärfe von „Last Minute” - Unschärfe nur in der Verirrung des Auges dessen, der sie sieht; zwischen der Semi-Objektivität von „Nachtprogramm I” und „Nachtprogramm II”, die zeigen, was sie zeigen sollen (eine Dokumentation ohne Dokument); zwischen der „Gulaschsuppe” von oben betrachtet (dieser unwahrscheinliche Teller von dem man träumt in einer Mischung aus Asien und dem Westen); zwischen dem Neon-Parkhaus und anderen Ansichten, Andenken und Weltanschauungen; zwischen all diesen Elementen also, lauert dieses Risiko der Vielseitigkeit. Das Risiko zu sein und das Risiko, nicht zu sein. Vielseitigkeit birgt das Risiko, übersehen zu werden. Das Risiko einzugehen, übersehen zu werden, ist ein bisschen mehr als zu sein. Manchmal.