Taktische Gefechtsausbildung
Militärische Grundausbildung
für die Kleinen

 

 

 

 

 

 

 

Wie funktioniert eine Handgranate?
Wie funktioniert eine Handgranate?

Schülerzeitung Goethicus des Goethe-Gymnasiums Ludwigsburg, Ausgabe Juni 1982

"DDR: Ein Kinderbuch"

von Michael von Aichberger

 

"Es ist unsere internationalistische Pflicht, in der revolutionären Klassenwachsamkeit nicht nachzulassen. Frieden gibt es, weil wir stark und gut bewaffnet sind."

Dieses Wort des Staatsratsvorsitzenden der DDR Erich Honecker steht als Vorwort in einem "Bilderbuch" des Kinderbuchverlags Berlin.

Titel: "Unsere nationale Volksarmee".

Es ist insofern sicherlich betrachtenswert, als es uns zeigt, mit welcher Hingabe sich das DDR-Regime um die Wehrerziehung seiner Kleinen bemüht. Das Buch beschränkt sich nämlich nicht darauf, Waffen, Panzer, Uniformen und Orden zu beschreiben. Den Kindern werden bereits alle Kenntnisse vermittelt, die sie brauchen, um ihr "sozialistisches Vaterland" zu verteidigen.

Kalaschnikoff
Eine Kalaschnikoff, für DDR-Kinder anschaulich erklärt

Natürlich fehlt's auch am Feindbild nicht. Und wer der Feind ist, das erfährt der junge Leser schon im ersten Kapitel. Nach der Schilderung der Befreiung Ostdeutschlands und Berlins durch die Rote Armee 1945 wird unter der Überschrift "Der Feind ist wieder da" folgendes verbreitet:

"Nach der Kapitulation Hitlerdeutschlands entstanden westlich der Elbe und des Thüringer Waldes drei Besatzungszonen, die britische, die amerikanische und die französische Zone. Dorthin flüchteten die Kriegsverbrecher ..., vor allem aber die Hitlergenerale."

Sinngemäß heißt es weiter, die Kriegsverbrecher seien hier ihrer Strafe entgangen und in Verwaltungen oder Konzernbetrieben untergebracht worden.

"An die Spitze der westdeutschen Behörden traten wieder, nachdem man alle Kommunisten und Antifaschisten aus ihnen entfernt hatte, die Vertreter des deutschen Imperialismus. Der bekannteste von ihnen war Dr. Konrad Adenauer, der später jahrelang Bundeskanzler sein sollte." ... "Anfang der fünfziger Jahre wurde in der BRD die Bundeswehr aufgestellt. Sie ist heute die zahlenmäßig stärkste Aggressionsarmee Westeuropas und Mitglied des imperialistischen Kriegspaktes, der NATO."

Es folgt in selbstverherrlichendem Ton ein geschichtlicher Abriß der Entstehung der NVA (Nationale Volksarmee). Für uns interessant wird es wieder unter der Überschrift "Der 13. August 1961".

Zitat: "Im Frühjahr 1961 befand sich der von den Imperialisten geschürte Kalte Krieg gegen die sozialistischen Länder auf einem Höhepunkt... Besonders aggressiv gebärdeten sich die westdeutschen Militaristen. Sie bereiteten den militärischen Überfall auf die DDR vor. ...
Die DDR schlug zu und verhinderte einen dritten Weltkrieg. Am 13. August 1961 wurde in der Hauptstadt der DDR Berlin der antifaschistische Schutzwall zu Westberlin errichtet. ... Seit diesem Tag werden unsere Grenzen zu Westberlin und zur BRD gegen alle Anschläge geschützt." Zitat Ende.

Das heißt also, der kleine DDR-Bürger lernt, die Mauer sei dazu da, niemanden reinzulassen. Was er nicht erfährt: Vor dem Mauerbau flüchteten immer mehr DDR-Bürger aus der DDR in den freien Westen. Allein im ersten Halbjahr 1961 waren es über 100 000. Damit flüchteten dringend benötigte Arbeitskräfte.

Mehrere Wirtschaftszweige waren am Zusammenbrechen, weil teilweise mehr als die Hälfte der Belegschaft innerhalb weniger Monate in den Westen geflüchtet war. Als am Vormittag des 13. August 1961 den DDR-Bürgern und Ostberlinern das Betreten West-Berlins verwehrt wurde, durften Westberliner noch nach Ostberlin. Klar, die Mauer sollte niemanden mehr "rauslassen".

Das Grenzsicherungssystem der DDR besitzt bislang etwa 45.000 Selbstschußanlagen mit Dumdum-Geschoß-Charakter - eine gravierende Verletzung der Menschenrechte. Dazu das DDR-Kinderbuch:

"Der Dienst des Grenzsoldaten wird durch ein Sperrsystem und eine Vielzahl technischer Mittel, wie Hubschrauber, Funkmeßtechnik, Signalanlage u. a. erleichtert."

Über den Menschen, der die Grenze bewachen muß, erfahren wir folgendes:

"Der Dienst bei den Grenztruppen der DDR ist vielseitig und interessant. Er verlangt hohe Kampfmoral, politisches Bewußtsein, Wachsamkeit, Disziplin, Mut und Entschlußkraft. Es ist selbstverständlich, daß der Grenzsoldat seine Waffe und seine Technik vorzüglich beherrschen muß. Darüber hinaus muß er es aber auch verstehen, Spuren zu lesen, und er muß ein wachsames Auge und Ohr haben." ... "Die enge Verbundenheit unseres Volkes mit seinen Soldaten ist einer jener Faktoren, die unsere Stärke und Überlegenheit über den imperialistischen Gegner ausmachen." ...

Ein Traumjob also? Vom Schießbefehl steht nichts in dem Buch. Von in den Westen geflüchteten Grenzsoldaten wissen wir, daß diese wie folgt verpflichtet werden:

"Sie sind eingesetzt mit der Aufgabe, Grenzdurchbrüche in beiden Richtungen nicht zuzulassen, Grenzverletzer aufzuspüren, festzunehmen oder zu vernichten, sowie Provokationen rechtzeitig zu erkennen und deren Ausdehnung auf das Gebiet der DDR zu verhindern."

Weiter sagt man ihnen folgendes:

Nach Überwindung des ersten Grenzhindernisses, meist ein harmlos aussehender Zaun, ist der "Grenzverletzer" anzurufen: "Halt Grenzposten, Hände hoch!". Hebt der Angerufene nicht die Hände hoch und bleibt auch nicht stehen, ist ein Warnfeuerstoß abzugeben. Bleibt er auch dann nicht stehen, ist gezieltes Feuer zu eröffnen, gleichgültig, wie zahlreich die Hindernisse noch sind.

Ist der Grenzverletzer so nahe der Grenze, daß der Zeitgewinn durch vorherigen Anruf oder Warnschuß das Gelingen der Flucht ermöglichen kann, ist sofort gezielt zu feuern. Befindet er sich bereits auf der Mauer, brauche nicht befürchtet zu werden, daß der Getroffene auf der rückwärtigen Seite der Mauer niederfällt, weil man gegen die Schußrichtung fällt.

Die Anweisung, parallel zur Grenze zu schießen, soll nur dann befolgt werden, wenn der Erfolg, - nämlich das "Festnehmen andernfalls Vernichten des Grenzverletzers" - auch gewährleistet ist. Hat der Flüchtende bereits das letzte Grenzhindernis erklommen, soll der Soldat liegend und Einzelfeuer schießen. Dadurch werde die Treffsicherheit erhöht. Außerdem bewirke die ansteigene Geschoßbahn, daß verfehlende Projektile nicht gefunden werden.

Folgendermaßen ist gegenüber verletzten Grenzverletzern zu verfahren: Im Bereich vor den Sicherungszäunen und spanischen Reitern ist der Angeschossene zu bergen und an einen gedeckten Ort zu transportieren. Ehe schnellst mögliche medizinische Hilfe eingeleitet wird, ist der Angeschossene zu durchsuchen. Liegt der Angeschossene so, daß der Soldat ihn nur erreichen kann, wenn ein Hindernis überwunden werden muß, darf er nicht sogleich geborgen werden. Die Bergung ist dem Eintreffen der Alarmgruppe zu überlassen. Bei bekannten Vorfällen entstanden Wartezeiten von 20 bis 50 Minuten. Keinesfalls darf der Soldat Grenzsicherungsanlagen überwinden oder zerstören, um dem Verwundeten medizinische Hilfe zu leisten. Mit angeschlagener Waffe muß er sichern, daß von westlicher Seite keine Bergung bzw. Hilfe erfolgen kann.

Was das Kinderbuch bei seinen Grenztruppen verschweigt, bringt es im Abschnitt über den Bundesgrenzschutz. Über ihn heißt es:

"Er hat militärische Funktionen nach innen, also in der BRD, und nach außen gegen uns zu erfüllen. In der BRD ist er zur Unterdrückung jener Arbeiter und Bürger vorgesehen, die gegen die Ausbeutung kämpfen, und nach außen soll er für die Bundeswehr und die anderen militärischen Verbände der Nato das Aufmarschgebiet im Falle einer Aggression gegen die DDR sichern.

Es folgen weitere Kapitel über das "Sabotage- und Spionagezentrum" Westberlin, wo "Agentenzentralen, Hetzsender, wie der RIAS, und Menschenhändlerorganisationen ihren Sitz haben."

Ansonsten beschreibt das Buch ausführlich die verschiedenen Waffengattungen und den Umgang mit ihnen, die Kinder erfahren eine detaillierte Schieß-, sowie taktische Gefechtsausbildung. Empfohlen wird das Buch "für Leser von 12 Jahren an", und das ist leider kein Märchen.