Mauerinschriften

 

Schülerzeitung Goethicus des Goethe-Gymnasiums Ludwigsburg, Ausgabe Dezember 1981

„Mauerinschriften”

von Michael von Aichberger


Am 13. August 1981 jährte sich der Bau der Berliner Mauer zum zwanzigsten Mal.

Berlin, 13. August 1961

Der Osten macht dicht. Von einem Tag auf den anderen reißt eine Mauer die Stadt Berlin auseinander. Für viele eine Bankrotterklärung der DDR. Keiner hatte damals gelgaubt, daß eine solche Unmöglichkeit Bestand haben würde.

Berlin heute

Sie steht immer noch. Noch höher, noch unüberwindlicher ist sie geworden. Und: Zur Beton-Mauer ist eine geistige hinzugekommen.

Ein westdeutscher Tourist kommt, sieht und knipst die Mauer, ohne zu fragen, was oder wer dahinter ist. Nach zwanzig Jahren ostdeutscher Abgrenzung liegt heute Mallorca näher.

Auf der anderen Seite weiß ein guter DDR-Bürger, daß der „antifaschistische Schutzwall” (offizielle DDR-Bezeichnng) sein „sozialistisches Vaterland” vor imperialistischen Einflüssen schützt. Es hat zwanzig Jahre gebraucht, ihm das einzuhämmern.

Gott sei Dank leben hüben wie drüben noch Deutsche, die ihr Zusammengehörigkeitsgefühl noch nicht begraben haben.

Auf der Westseite mit beiden Fäusten gegen die Mauer zu hämmern, bringt nichts. Das gleiche vom Osten her zu versuchen, ist Selbstmord.

Die geistige Mauer abzubauen, ist ein Anfang. Die andere wird dann auch fallen. Irgendwann.

Bis dahin ist sie die „Klagemauer des 20. Jahrhunderts” (Mauerinschrift).

Die graue Betonwand hat schon viele Dichter und Denker herausgefordert. Die Mauer ist kein unbeschriebenes Blatt mehr. Unzählige Kritzeleien und Inschriften, teils schwach, teils tiefsinnig, „schmücken” die Westberliner Seite ...

Die Repros auf den folgenen Seiten sind der erste Teil unserer Mauerdokumention. Sie stammen alle von einem etwa 10 km langen Mauerabschnitt durch die Westberliner Bezirke Wedding und Kreuzberg.