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Woher
kommt das 'von' in deinem Namen?
Evelyn und Nadine aus Österreich wollten das kürzlich von mir
wissen.
Ich nutze die Gelegenheit, ein wenig über den zu plaudern, dem ich
diesen Namenszusatz verdanke: Es ist dies einer meiner 32 Ur-Ur-Ur-Ur-Opas.
Er hieß Lorenz Aichberger.
Sein Papa, also mein Ur-hoch-5-Opa) hieß Johann und war Bauer und
Schneider in einem kleinen bayerischen Dörfchen: Eresing am Ammersee.
Eresing hat heute 1.598 Einwohner
und es wären noch einige mehr, wenn alle Eresinger so zeugungsfroh
gewesen wären wie damals Johann und seine Frau Magdalena: Lorenz
hatte 11 Geschwister!
Geburtshaus von Lorenz Aichberger in Eresing am
Ammersee
Aus den Lebenserinnungen des Lorenz:
Ich
ward am 5. August 1742 zu Eresing zu der Bayerisch Füllischen
Hofmark Windach gehörigen Dorfe Landgerichts Landsberg, geboren.
In diesem Pfarrorte war ein sehr geschickter Schulmeister, der mir
nicht nur im Lesen und Schreiben, sondern auch besonders in der Singkunst
solchen Unterricht gab, daß ich ad. 1752 bei dem ehemaligen
Domkapitel in Augsburg in meinem 11. Jahre als Singknabe in den sog.
Domkapitlischen Kapellhause aufgenommen wurde. |
Lorenz beginnt seine Laufbahn also als Sängerknabe
in der Dorfkirche von Eresing.
Dann
erregt er bei Konzerten - Singspielen in Augsburg Aufmerksamkeit:
Der
Ruf meines Musiktalents gelangte zu den Ohren seiner herzoglichen
Durchlaucht aus Bayern, Clement Franziskus, weil einer seiner Kammermusiker
... die Musik zu dem Singspiel bei der Endskomödie in Augsburg
verfaßt hatte. Höchstselbe ließen mich daher nach
München kommen, um mich zu hören, und da ich sowohl bei
Höchstselben in der Kammer, als bei seiner churfürstlichen
Durchlaucht Max Joseph bei offener Tafel zu singen die höchste
Gnade hatte, mir Beifall erwarb; so wurde mir in der Folge von höchst
gedacht seiner herzoglichen Durchlaucht der Antrag gemacht in höchst
ihre Dienste zu treten mit dem Versprechen, daß höchst
selbe mich dort studieren lassen, für meinen Lebensunterhalt
sorgen, dann auf seiner einstig lebenslänglichen Versorgung bedacht
sein würden. |
Lorenz reist also zum Casting nach München, wo er vor Herzog Clement
Franziskus und Kurfürst Max Joseph, dem Dieter Bohlen des 18. Jahrhunderts,
vorsingt. Der Herzog nickt gefällig und bietet Lorenz an, an seinem
Hof Karriere zu machen. Lorenz läßt sich das nicht zweimal
sagen:
Als
ein Bayer und geborenes Landeskind nahm ich diesen gnädigsten
Ruf mit unterthänigst und innigstem Dank an, und wurde somit
herzoglicher Kammersänger. |
Lorenz
darf am Hofe des Herzogs singen und auf dessen Kosten Jura stu-
dieren. Er bekommt eine lebenslange Pension von jährlich 600
fl. zugespro-
chen [fl. = Florin = in Florenz geprägter Gulden].
Nicht
schlecht für einen Teenager, nicht wahr?
Und
weil er ein Superstar ist, wird er sogar in Öl gemalt!
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Doch damit nicht genug! Als er 1764 mit dem Jurastudium
fertig ist, wird er in den Adelsstand gehoben. Er ist jetzt Lorenz von
Aichberger!
Damit verbunden ist das Recht, ein Wappen zu führen. Doch Lorenz
hat keins. Er weiß aber, dass es in Bayern einige hundert Jahre
vorher schon ein Rittergeschlecht gegeben hat, das auch Aichberger [damals
noch Aichperg] geheissen hat. Diese Leute stammten aus Eichberg,
einem kleinen Flecken im Bayerischen Wald.
Sie lebten im Mittelalter, wohnten auf Burgen, hatten
lange Lanzen und ritten auf Pferden. Ritter halt. Das heißt, genau
betrachtet gehörten sie dem sogenannten Ministerialadel an. Damit
waren sie von ihren jeweiligen Landherren abhängig. Sie wohnten auf
Schlössern und Burgen, aber meist nur als Pfleger, das
heißt, ihnen waren die Burgen anvertraut, um in der Abwesenheit
des Burgherrn nach dem Rechten zu sehen. Einige Burgen gehörten ihnen
zeitweise auch.
Aichberger-Burgen Hals, Hilgartsberg, Saldenburg,
Söldenau
Der letzte uns bekannte Aichberger-Ritter hieß Johann von Aichperg.
Er starb 1511 - von da an verliert sich die Spur der
alten Aichberger.
Wie gesagt, diese Story kennt 250 Jahre später auch unser Lorenz, als
er relativ unverhofft in den Adelsstand gehoben wird. Ob er selbst von den
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alten Aichbergern abstammt,
diesen Nachweis kann er zwar nicht erbringen, doch er ersucht den
König um die Erlaubnis, so tun zu dürfen als ob.
Der nickt gnädig und so nimmt Lorenz das Wappen der alten
Aichberger als das seine an. Hier ist es. Es zeigt drei Hügel
und ein Eichenzweigchen mit Eicheln.
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1771 heiratet er eine gewisse
Maria Anna von Lafabrique
1774 kommt sein erster Sohn Franz zur Welt.
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1784 kauft und bezieht er ein stattliches Anwesen, Birkenleiten,
außerhalb von München, malerisch am Auer Mühlbach
gelegen. Nun ja, heute liegt Birkenleiten innerhalb von München ...
1798 wird er Richter, ...
1808 oberster bayerischer Richter. Und einen Orden bekommt
er auch noch, den Königlich Baierischen Civil Verdienst-Orden
von der baierischen Krone.
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Mit dem Ding um den Hals könnte man sich
ja eigentlich mal wieder
malen lassen, oder?
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1811 stirbt seine 8 Jahre jüngere Frau Maria Anna.
1815 feiert er sein 50-jähriges Dienstjubiläum. Er selbst ist
da schon 73 Jahre alt. In einer Zeit, als die Lebenserwartung der Männer,
die bis zu ihrem 15. Lebensjahr noch nicht gestorben waren, 57 betrug,
war das schon ganz schön alt.
Ein Artikel, erschienen in der Münchener Politischen
Zeitung vom 8. Juni 1815 würdigt dies:
"Baiern. München, den 18. Juny. Wenn
an einem Orte eine Pflanze zur Blüthe gelangt, die nur alle dreißig
oder fünfzig Jahre zu blühen pflegt, so ist es Sitte, eine
solche seltene Erscheinung öffentlich bekannt zu machen. Wir
erfreuten uns gestern einer ähnlichen, aber in jedem Betrachte
für die Menschheit weit anziehenderen Erscheinung. Es wurde das
fünfzigjährige Dienstjubiläum unseres würdigen
Ober-Appellations Direktors und Ritters des Verdienst-Ordens, Lorenz
von Aichberger, gefeyert. Wenigen Sterblichen ist es gegönnt,
ein hohes Alter zu erreichen, und daher ist das Alter schon an sich
ehrwürdig, noch seltener aber wird Staatsdienern das Glück
zu Theil, nach fünfzig, dem Vaterlande rühmlich geweihten
Dienstjahren, noch eines so frischen und, so zu sagen blühenden
Alters zu genießen, als nur wenige Menschen sich kaum nach fünfzig
Lebensjahren noch zu erfreuen haben. |
Es hagelt Grußworte und Lobeshymnen, doch ein Festgedicht
sticht besonders heraus und verdient, nicht in Vergessenheit zu geraten.
Das Gedicht ist überschrieben mit:
Dem geliebtesten Vater und Jubelgreise
von seinen Kindern nach dem öffentlichen Feste
im Familienzirkel
Vorüber ist die Feyer,
verklungen hat das Lied,
doch bleibt noch wert und teuer
was man nicht wiedersieht.
Es rühmen noch die Gäste
das Lied und den Verein,
Und sprechen von dem Feste
und von dem guten Wein.
Geschmückt ist jene Stunde
nach Jahren noch zu sehen,
und jene Tafelrunde
nennt jeder froh und schön.
Da nahen sich die Kinder,
an Zahl nicht wenig klein
und wollen sich nicht minder
als schon geschehen freun.
Denn heilig ist vor allen
den Kindern dieses Fest,
das sich um zu gefallen
so glänzend sehen läßt.
Drum wird im Lied erhoben,
was groß und heilig ist,
es kömmt von dem der oben,
des Menschen Leben mißt.
Er ließ den Tag erscheinen,
der lange ward erfleht,
dankbare Kinder weinen
und stammeln ihr Gebet.
Und sieb'nzehn Enkel dringen
mit Gruß und Kuß herein
und jubeln laut und singen
und laden alles ein.
Denn Alles muß sich freuen,
kein lebend Herze schweigt,
wo sich bei seinen Treuen
der gute Vater zeigt.
Umgeben
und umschlungen
von Kindern groß und klein,
sieht er Erinnerungen
im sanften Widerschein.
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sieht er Erinnerungen in sanftem Widerschein.
Gemeint sind die Erinnerungen an Maria Anna, seine 4 Jahre zuvor gestorbene
Frau. Die Trauer über ihren Tod mag er noch nicht überwunden
haben, aber seine Kinder trösten ihn:
Er sieht, was ihm geblieben
und was er nicht mehr hat.
Die Trauer will er lieben,
doch ehrt er Gottes Rat.
Und nennet ernst und stille,
die nicht zugegen sind,
und ruft sie im Gefühle
der Wehmut, die gewinnt.
Oh Vater, Vater, hebe
zu uns den Blick empor.
Uns bleibe du, uns lebe,
laß ruhen, was sich verlor.
Laß ruhn, was ist gewesen
und nimm, was vor dir ist,
Die Frucht nun sollst du lesen,
die stets sich gut genießt.
Dankbare Kinder bieten
Dir, was sie haben an,
und edle Engel hüten,
Dich edlen guten Mann.
So währt die lange Reise,
die keine Kraft verliert,
bis sich dem müden Greise
der Himmel öffnen wird.
Uns aber bleibt Dein Glaube,
Dein Segen und Dein Wort,
So setzt sich - stirbt die Traube -
der Geist im Weine fort.
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Lorenz von Aichberger stirbt am 10. April 1824 mit über
80 Jahren in München. Bis vor einigen Jahren stand in Eresing noch
sein Geburtshaus. Daran war eine Gedenktafel befestigt:
Kleine Richtigstellung in eigener Sache: Während
sich Lorenz das von tatsächlich selbst verdient hat,
ist es für mich lediglich Bestandteil meines Nachnames - nicht mehr
und nicht weniger. Wäre es noch ein Titel, so hätte ich ihn
nicht. Denn dieser Titel durfte nur an den Erstgeborenen weitergegeben
werden. Ich aber habe noch einen älteren Bruder ...
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